Montag, 19. Februar 2007

Sclerocephalus: Der "Hartschädel" aus der Pfalz



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Wiesbaden (fossilien-welt) - Der Urlurch Sclerocephalus haeuseri gehört zur Klasse der Amphibien, Unterklasse bzw. Überordnung Labyrinthodontia, Ordnung Temnospondyli, Famile Eryopidae und Gattung Sclerocephalus. Er lebte in der frühen Permzeit vor etwa 290 Millionen Jahren, die in Europa wegen ihren teilweise auffällig rot gefärbten Gesteinen auch Rotliegendzeit genannt wird.



Amphibien sind Tiere, die sowohl im Wasser als auch an Land leben können. Der Name Labyrinthodontia (Labyrinthzähner) beruht auf der im Querschnitt labyrinthartig gefalteten Schmelzschicht der Zähne. Wegen ihres stark verknöcherten, mit dem Schultergürtel verbundenen Schädeldaches bezeichnet man die meisten Labyrinthodontia auch als Dachschädler, Stegocephalia oder Panzerlurche. Im Jugendstadium lebten sie – mit Kiemen atmend – im Wasser und wechselten später – mit Lungen atmend – zwischen Wasser und Land. Eine der Ordnungen der Unterklasse Labyrinthodontia sind die von der Karbonzeit bis zur Triaszeit vorkommenden Temnospondyli (Schnittwirbler). Die teilweise nur wenige Zentimeter kleinen, teilweise aber auch bis zu mehrere Meter großen Temnospondyli besaßen aalförmige oder krokodilartige Körper mit blattförmigen Wirbelknochen. Anfangs waren sie mehr Landbewohner, später überwiegend Wasserbewohner.

Fossile Reste des räuberischen Urlurches Sclerocephalus haeuseri wurden bereits 1847 von dem deutschen Paläontologen Georg August Goldfuß (1782-1848), der damals in Bonn wirkte, beschrieben. Sclerocephalus heißt zu deutsch „Hartschädel“. Der Artname haeuseri erinnert an den Bergverwalter Friedrich Häuser aus der Bergmannssiedlung „Dreikönigszug“ am Potzberg bei Kusel in der Pfalz. Goldfuß hatte einen Schädelfund aus Heimkirchen nördlich von Kaiserslautern wissenschaftlich untersucht und zunächst irrtümlich als Fischrest gedeutet. Der Frankfurter Gelehrte Hermann von Meyer (1801-1869) betrachtete denselben Fund 1858 fälschlicherweise als Reptil. In Wirklichkeit war es – wie erwähnt – ein Amphibium.

Erwachsene Tiere von Sclerocephalus haeuseri erreichten von der Schnauzen- bis zur Schwanzspitze eine Länge bis zu 2 Meter. In der Sammlung des Pfalzmuseums für Naturkunde Bad Dürkheim wird ein imposantes 1,82 Meter langes Exemplar aufbewahrt.

Das geschlossene Schädeldach dieser Urlurche ist nur von den Öffnungen der Geruchs- und Lichtsinnesorgane durchbrochen. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine große Maske. An besonders gut erhaltenen Schädeldächern von Sclerocephalus haeuseri sind knöcherne Augenringe (Scleralringe) erkennbar. Bei Jungtieren sind die Augenöffnungen relativ groß und oval, bei Alttieren dagegen rund und im Verhältnis zum jeweiligen Schadeldach merklicher kleiner.

„Drittes Auge“

Auf dem Schädeldach von Sclerocephalus haeuseri ist auch das so genannte „dritte Auge“ (Pinealforamen) im Bereich des Scheitelbeins sichtbar. Früher glaubte man irrtümlich, es habe einmal eine Zeit gegeben, in der bei der Mehrzahl der Wirbeltiere ein „dritter Blick nach oben“ üblich gewesen sei. Amphibien und Reptilien hätten mit dem Scheitelauge vermutlich aus ihren Schlammverstecken nach oben schauen und so die Situation beherrschen können. Heute vermuten die Wissenschaftler, dass es sich hauptsächlich um ein thermoregulatorisches Organ handelt, das durch die Aufnahme des Sonnenlichtes die Aktivität, unter anderem die Temperatur, regelt und damit auch für die Lebensdauer der Tiere von ganz entscheidender Bedeutung ist. Zudem beeinflusst es über die Schilddrüse die Fortpflanzung, indem es die Geschlechtsreife, die Fortpflanzungszeit und die Kopulationsfähigkeit steuert. Welche weiteren Funktionen das „dritte Auge“ noch ausübt, weiß man nicht.

Sclerocephalus haeuseri besaß außer den Zähnen am Ober- und Unterkieferrand drei weitere Zahnpaare auf dem Gaumen. Solche Gaumenzähne hatten schon die ersten Lurche der Erde (Ichtyhostega), die in der späten Devonzeit auftraten.

Die Gaumenzähne von Sclerocephalus haeuseri waren besonders ausgeprägt. Man könnte sie fast als Hauer bezeichnen. Sie dienten zum Festhalten großer Beutetiere. Die urtümlichen Urlurche schnappten nach Fischen wie Paramblypterus und schlangen diese in einem Stück hinunter. Dabei packten die Gaumenzähne mit zu und hielten den glatten Fischleib fest, damit er nicht wieder aus dem Maul rutschen konnte. Auch manche Froschlurche und Salamander der Gegenwart verfügen über solche Gaumenzähne, sie sind aber viel kleiner als die einige Zentimeter langen Hauer von Sclerocephalus haeuseri. Bei den Amphibien des Erdmittelalters, wie etwa den bis zu 7 Meter langen Mastodonsauriern aus der Triaszeit in Württemberg, erreichten die Gaumenzähne, deren Zahl und Anordnung je nach Art unterschiedlich ist, nur etwa die Größe der randlichen Kieferzähne.

Mit seinem schlanken Rumpf, den zunächst relativ schwach verknöcherten Gliedmaßen und dem langen Ruderschwanz war Sclerocephalus haeuseri besser an die Fortbewegung im Wasser als an Land angepasst. Bei Jungtieren nahm der Schwanz mehr als die Hälfte der Gesamtlänge ein.

Artgenossen gefressen

Im Magen- und Darmtrakt von Sclerocephalus haeuseri liegen häufig Schuppen von großen Fischen der Gattung Paramblypterus sowie gelegentlich Knochenteile kleinerer Lurche wie Branchiosaurus und Micromelerpeton. Ein im Geologischen Museum der Bergschule Saarbrücken aufbewahrter Sclerocephalus haeuseri hatte sogar einen kleinen Artgenossen gefressen, womit bei diesen Tieren Kannibalismus nachgewiesen ist. Dagegen gehörten wendige und mit Stacheln versehene Stachelhaie, die im selben Lebensraum vorkamen, nicht zu den Beutetieren.

Sclerocephalus haeuseri hatte vier Beine mit jeweils vier Fingern. Ein im Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main aufbewahrtes Exemplar mit einer Gesamtlänge von 34 Zentimeter und einer Schädellänge von 4,7 Zentimeter hat einen 20 Zentimeter langem Schwanz. Das Besondere an diesem Fund, der im März 2005 als „Fossil des Monats“ präsentiert wurde, sind drei zusätzliche Krallen an den Hinterextremitäten, die vermutlich von Störungen während der Metamorphose verursacht wurden. Dünne rötlich-weiße Tuffbänder in den Gesteinen der Odernheimer Schichten weisen auf eine Veränderung im aquatischen Mileu hin, welche die Urlurche während ihrer Entwicklung geschädigt haben könnte.

Flinke Larven

Die Larven und Jungtiere von Sclerocephalus haeuseri besaßen eine schlanke Gestalt und einen langen Schwanz und waren flinke Jäger. Aber mit zunehmendem Alter nahm die Länge des Schwanzes im Verhältnis zum Körper ab und wurde das gesamte Erscheinungsbild plumper. Vermutlich lauerten erwachsene Sclerocephalus haeuseri auf dem Grund der Gewässer in Ufernähe auf Beute. Wahrscheinlich hatten sich die alten Urlurche als Lauerjäger auf das „Schnappen“ der sehr häufigen Fische der Gattung Paramblypterus spezialisiert.

Larven und Jungtiere von Sclerocephalus haeuseri lebten vermutlich in tiefen Gewässerbereichen. Im Gegensatz dazu suchten die erwachsenen Lurche dieser Art Seeränder oder flache Seen auf. Erwachsene Lurche kamen vielleicht nur zum Ablaichen kurzfristig in den Lebensraum der Jungtiere. Offenbar war dies eine „Vorsichtsmaßnahme“ der Natur, die verhinderte, dass die kleinen Stegocephalen ein Opfer gefräßiger erwachsener Dachschädlerlurche wurden.

Warme Seen

Zu Lebzeiten von Sclerocephalus haeuseri in der frühen Permzeit lagen die Lebensräume dieser Urlurche im damaligen tropischen Gürtel auf 10 Grad bis 20 Grad nördlicher Breite. Das heißt: Analog zu heutigen tropischen Seen herrschte in den oberen Wasserschichten eine Temperatur von ständig mehr als 20 Grad Celsius mit nur sehr geringfügigen Schwankungen.

Prächtig erhaltene Fossilien des Urlurchs Sclerocephalus haeuseri kamen vor allem am berühmten Fundort Odernheim am Glan in Rheinland-Pfalz zum Vorschein. Diese Fundstelle wurde in den frühen 1920-er Jahren von dem bayerischen Landesgeologen Otto M. Reis entdeckt. Die imposanten Urlurche beeindruckten die Wissenschaftler, die sie erstmals untersuchten, so sehr, dass sie die Odernheimer Ablagerungen als Stegocephalenkalke bezeichneten.

Auffälligerweise haben die Stegocephalenkalke von Odernheim am Glan eine ungewöhnlich individuenreiche, aber artenarme Tierwelt hervorgebracht. Leben existierte nur in den gut durchlüfteten Oberwasserschichten, nicht aber amBoden. Der Fossilienreichtum von Odernheim am Glan dürfte ebenso wie derjenige von Lebach im Saarland auf gelegentliche Katastrophen zurückzuführen sein.

Hinweise auf die Verhältnisse des Odernheimer Sees zur Rotliegendzeit liefert das Fehlen von Süßwasserhaien der Gattung Xenacanthus sowie der sich gerne in tieferem Wasser aufhaltenten Archegosaurier. Diese Tiere fanden offenbar trotz des reichen planktonischen Nahrungsangebotes keine ausreichende Lebensgrundlage. Statt dessen konnten sich in dem Odernheimer Gewässer nur besonders ausdauernde oder an die sauerstoffarme Umwelt angepasste Formen wie die Fische der Gattung Paramblypterus behaupten.

Eindrucksvolle Skelettreste von Sclerocephalus häuseri kann man zum Beispiel im Institut für Geowissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und im Paläontologischen Museum Nierstein bewundern.

Früher hat man manche Funde von Sclerocephalus haeuseri irrtümlich anderen Arten zugerechnet. Bereits 1939 stellte der renommierte amerikanische Paläontologe Alfred Sherwood Romer (1894-1973) fest, dass die als Leptorophus levis bezeichneten Urlurche Larven von Sclerocephalus sind.Grabungen verboten

An den einstigen Fundstellen von Sclerocephalus haeuseri in Rheinland-Pfalz – wie Odernheim am Glan, Jeckenbach bei Meisenheim und Heimkirchen - sind seit 1986 Grabungen nach Fossilien gesetzlich verboten. Seitdem gibt es von dort keine Neufunde mehr. Es gelangen aber immer wieder Altfunde aus dem Besitz von Privatsammlern in den Fossilienhandel.

Originalfunde von Sclerocephalus haeuseri gehören zeitweise zum Angebot des "Antiquitäten-Shop & Fossilien-Shop" mit der Internetadresse http://www.antiquitaeten-shop-net - Dort sind auch andere fossile Saurier aus der Permzeit erhältlich.

Ein sehr guter Kenner von Sclerocephalus haeuseri ist der in Oderheim am Glan wohnende professionell arbeitende Amateur-Paläontologe Klaus Krätschmer. In seiner Privatsammlung befinden sich eindrucksvolle Funde von Fischen und Amphibien aus Odernheim am Glan.

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Literatur:

Boy, Jürgen A.: Sclerocephalus. Aus: Die Branchiosaurier (Amphibia) des saarpfälzischen Rotliegenden (Perm, SW-Deutschland). Abhandlungen des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung, Heft 65, S. 71-79, Wiesbaden 1972
Boy, Jürgen A.: Über einige Vertreter der Eryopoidea (Amphibia: Temnospondyli) aus dem europäischen Rotliegenden (höchstes Karbon-Perm). 1. Sclerocephalus, Stuttgart 1988
Lohmann, Ulla: Sclerocephalus haeuseri. Erstrekonstruktion und Lebensweise eines saarpfälzischen Eryopiden aus dem Unter-Rotliegenden – Untersuchung eines Ur-Amphibiums von Ulla Lohmann
Probst, Ernst: Deutschland in der Urzeit, München 1986

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