Donnerstag, 20. November 2008

Urzeit-Hai aus der Pfalz war Kannibale

Bad Dürkheim (fossilien-welt) – Der bis zu drei Meter lange „pfälzische Hai“ Lebachacanthus aus der frühen Permzeit vor nahezu 300 Millionen Jahren fraß Artgenossen und gilt somit als Kannibale. Dies berichtete Ulrich H. J. Heidtke im „Pollichia-Kurier“, der vom Pfalz-Museum für Naturkunde in Bad Dürkheim und von der „Pollichia“ (Verein für Naturforschung und Landespflege e.V.) herausgeben wird. Einen solchen Kannibalismus hatte bereits 1998 der Mainzer Paläontologe Professor Dr. Jürgen A. Boy aufgrund des Inhaltes so genannter Koprolithen (Kotballen) vermutet.

Die frühe Permzeit wird in Südwestdeutschland wegen der auffälligen rötlichen Farbe von Gesteinen aus jener Epoche als Rotliegendes oder Rotliegendzeit bezeichnet. Aus der frühen Rotliegendzeit des Saar-Nahe-Beckens kennt man die zu den so genannten Xenacanthiden gehörenden Haigattungen Lebachacanthus, Orthacanthus, Xenacanthus, Triodus und Plicatodus. Davon sind Orthacanthus und Plicatodus nur durch wenige Zahnfunde belegt, während man von den anderen Haigattungen teilweise sogar komplette Skelette entdeckt hat.

Bis vor kurzem kannte man im Saar-Nahe-Becken von der 1997 erstmals beschriebenen Gattung Lebachacanthus nur die Art Lebachacanthus senckenbergianus. Doch später identifizierte Ulrich H. J. Heidtke drei Arten von Lebachacanthus namens Lebachacanthus colosseus, Lebachacanthus pollichiae und Lebachacanthus senckenbergianus.

Lebachacanthus colosseus gilt als der große „Weiße Hai aus der Pfalz“. Etwas kleiner als dieser, aber mit größeren Flossen, ist Lebachacanthus pollichiae, der nach einem Fund (Typusexemplar) von Breitenheim bei Meisenheim am Glan (Kreis Bad Kreuznach) beschrieben wurde. Die kleinste der drei Lebachacanthus-Arten ist Lebachacanthus senckenbergianus aus Lebach im Saarland, von der nur das im Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main aufbewahrte Typusexemplar vorliegt.

Im Rahmen der Neubearbeitung von Lebachacanthus ging Ulrich H. J. Heidtke auch Hinweisen nach, wonach sich dieser Hai als Kannibale ernährt hat. Zu den Beweisen für den Kannibalismus von Lebachacanthus gehören ein Speiballen, ein Mageninhalt sowie zwei Skelettreste aus der so genannten Meisenheim-Formation.

Ein Speiballen von Lebachacanthus vom Fundort Hoferhof bei Dielkirchen nördlich von Rockenhausen (Donnersberg-Kreis) ist mit Zahnfragmenten seiner eigenen Gattung durchsetzt. Solche Speiballen entsprechen in etwa den Gewöllen heutiger Greifvögel. Dabei handelt es sich um unverdauliche Nahrungsreste, die ausgewürgt werden.

In einem Steinbruch von Breitenheim wurde ein Skelettrest von Lebachacanthus entdeckt, bei dem – was bisher einmalig ist – der Mageninhalt erhalten geblieben war. Erstaunlicherweise sind die im Magen dieses Haies liegenden zahlreichen Lebachacanthus-Zähne nicht viel kleiner als diejenigen des Tieres, von dem es gefressen wurde.

Aufschlussreich war auch ein Lebachacanthus-Skelettrest von Geisberg bei Rockenhausen (Donnersberg-Kreis), der aus dem Schädel, Kiemenkorb und vordersten Rumpfabschnitt besteht. Im Bereich der Speiseröhre und in Richtung zur vermuteten Lage des Herzbeutels steckt der Stachel eines Artgenossen. Dieser Hai hat offenbar vergeblich versucht, den in das Gewebe eingedrungenen Stachel hervor zu würgen, denn es handelt sich um das einzige bekannte Fossil mit offen stehender Mundspalte. Der stecken gebliebene Stachel hatte vermutlich zum Tod geführt. Unklar ist, ob der Stachel bei versuchtem Kannibalismus, bei einem so genannten Paarungsbiss in die Kiemen-/Schulterregion oder durch aggressive Bissigkeit verschluckt worden ist.

Bei einem Lebachacanthus-Skelettrest aus Niederkirchen (Kreis Kaiserslautern), der aus dem hinteren Körperabschnitt mit Schwanzflosse besteht, handelt es sich um ein Jungtier von etwa einem Meter Länge, dessen Körper glattrandig mit einem Biss durchtrennt wurde. Nach dem Fundgut von Niederkirchen zu urteilen, kommt – laut Heidtke – nur ein großes Tier von Lebachacanthus als Angreifer in Frage. Der Angriff erfolgte auf ein lebendes Jungtier, da der Rest keinerlei Anzeichen für eine Verwesung aufweist. Unterhalb der Schwanzflosse ist ein herausgebrochener Einzelzahn eines großen Lebachacanthus überliefert, der theoretisch mit dem Biss in Verbindung gebracht werden könnte.

Weblinks:
http://www.pollichia.de/arbeitskreise/geowissenschaften/Kurier_24_3_19_21_Heidtke.pdf
http://www.pollichia.de/arbeitskreise/geowissenschaften/Kurier_24_4_11_12_Heidtke.pdf
http://www.pollichia.de/arbeitskreise/geowissenschaften/Kurier_24_2_23_24_Heidtke.pdf